(Abitur 2009)
Hätte man mir noch vor einigen Jahren gesagt, dass ich an einer Universität studieren werde und noch dazu mit einem Stipendium, hätte ich demjenigen wohl den Vogel gezeigt.
Um ehrlich zu sein, ich konnte mir noch nicht einmal vorstellen, überhaupt Abitur zu machen. Gymnasium und Abiturprüfung waren für mich Dinge, vor denen ich unglaublichen Respekt hatte und die ich mir für mich per se nicht vorstellen konnte.
Die „Hauptschule“ war für mich nämlich nicht nur ein abstrakter Begriff aus der aktuellen Bildungsdebatte. Ich kannte die Hauptschule auch von innen. Zwar hatte ich damals den Aufstieg in die Realschule ohne Mühen geschafft, doch die Vorstellung, die Abiturprüfung zu bestehen, empfand ich als ebenso realistisch, wie Papst zu werden.
So bedurfte es auch erst der Überredungskünste meines Mannes, der es leid war, meine allfeierabendliche Unzufriedenheit zu ertragen. Er traute mir mehr zu als meinen Bürojob.
Nun gut, einen Versuch konnte ich ja wagen. Was hab ich zu verlieren? Den Job aufgeben wollte ich erst einmal nicht, da ich ja davon überzeugt war, die Schule sowieso nicht zu schaffen. So bin ich dann ans Abendgymnasium in Prenzlauer Berg geraten. Und da ich nur eine Fremdsprache gelernt hatte, musste ich in den sauren Apfel beißen, und sage und schreibe 4 Jahre die Schulbank drücken. Meine Arbeitskollegen hielten mich für verrückt. Ich glaube, nur mein Mann hat wirklich daran geglaubt, dass ich das schaffe.
Jetzt, da diese 4 Jahre vorbei sind, kann ich nur sagen, sie sind schneller vergangen, als mir lieb war. Sicher, die Belastung war oft hart an der Grenze des Erträglichen (teilweise um 4:30 Uhr aufstehen, Hausaufgaben machen und lernen, Büro, Unterricht, nach Hause, Bett), aber im Unterschied zu meiner Schulzeit während meiner Jugend hat die Schule Spaß gemacht, denn ich war unglaublich motiviert. Man ist unter Gleichgesinnten, die genauso verrückt sind, wie man selbst und die Lehrer begegnen einem auf Augenhöhe und nicht mit Erziehungsauftrag.
Und nach all der harten Arbeit dann das Abiturzeugnis in der Hand zu halten, das war schon ein großartiges Gefühl!
Ich denke gerne an die Zeit zurück und bereue es keine Sekunde, meine Freizeit dafür „geopfert“ zu haben. Aber nicht nur die Hochschulberechtigung an sich war den Besuch wert, ich habe auch erstmals erfahren, zu welchen Leistungen ich überhaupt fähig bin.